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Die Obstbauern von Wiesbaden ODER Warum der DGV auf den Club 55+ setzt

Natürlich habe ich mich bereits über das jüngste golf.de-Interview von HJ Nothelfer, seines Zeichens Präsident des Deutschen Golf Verbandes, aufgeregt. Wer meinen Beißreflex verpasst hat, der kann ihn an dieser Stelle auf golfnerd.de nachlesen. Nothelfer hatte dort verkündet, dass für den DGV “die ‘Generation 55+’ künftig die wirtschaftlich wichtigste ist”.

Aus meinem Reflex ist inzwischen eine Reflexion geworden. Ich habe mich gefragt, warum setzt der DGV auf diese Zielgruppe? Und wieso werden keine Konzepte in Wiesbaden vorangetrieben, um andere Gesellschaftsschichten in den Golfsport zu ziehen?

Ich habe eine Theorie.

Der DGV hat 2013 bei dem  Mafo-Institut Repucom eine Imagestudie zum Thema Golfsport in Deutschland in Auftrag gegeben (und diese auch in Auszügen jüngst in einer Pressekonferenz vorgestellt). In vertraulicher Runde  könnte unter den Verantwortlichen unter anderem  präsentiert worden sein, dass die Zielgruppe 55+ im Vergleich zu anderen Altersschichten in unserer Republik …

  1. …die Begriffe Gesundheit, Bewegung, Natur und Sportlichkeit für wichtig hält – und auch mit dem Golfsport verbindet.
  2. … über ausreichende finanzielle Mittel verfügt.
  3. … die Exklusivität des Clublebens schätzt.
  4. … über genügend Zeit (Kinder aus dem Haus) für den Golfsport verfügt.
  5. … bereits viele Golfspieler in seinen Reihen hat.
  6. … demografisch die größte Gruppe (Baby-Boomer) in den kommenden Jahren bildet.

Fazit: Die Zielguppe 55+ ist die in der Marktforschung allseits beliebte “low-hanging fruit” – eine niedrighängende Frucht, die keine Mühen macht, sie zu pflücken. Alle andere Zielgruppen bedeuten das Gegenteil: harte Arbeit.

Viele Unternehmensberater vergöttern diese “low-hanging fruit”. Sie verspricht einen schnellen, messbaren Erfolg der eigentlich keiner großen Veränderung der bisherigen Strategie bedarf. Vielmehr müssen die bisher von der Zielgruppe ausgemachten Stärken einfach nur weiter in den Vordergrund gestellt werden. Der Rest kommt von alleine.

Dementsprechend stürzt sich nun auch der DGV auf die Zielgruppe 55+. Die bisher beschrittene Weg in Sachen Positionierung des Golfsports muss nicht verlassen werden. Es werden lediglich die Marketingaktivitäten in der als relevant ausgemachten Kundschaft intensiviert. Soll heißen, dass wir in Zukunft mehr “Gesundheit, Bewegung, Natur und Sportlichkeit” um die Augen und Ohren geknallt bekommen – da diese Begriffe gerade bei der älteren Klientel wohl laut Mafo super ankommen.

Der DGV muss keinen Imagewandel einläuten, keine Regularien wie die Platzreife überdenken, in den Clubs und bei den Anlagenbetreibern keine revolutionären Gedanken äußern und noch nicht einmal am elitären Gehabe mancher Mitglieder ruckeln. So einfach ist das.

Der große Nachteil der Fixierung auf die “low-hanging fruit” ist allerdings, dass gleichzeitig die in der Imagestudie ausgemachten Schwächen und damit die für den DGV weniger relevanten jüngeren Zielgruppen komplett vernachlässigt werden.

Dieser Umstand rächt sich spätestens dann, wenn die Baby-Boomer abtreten und die Generation 55+ demografisch wesentlich schmaler wird. Es wird aufgrund der einseitigen Ausrichtung auf ebendiese Zielgruppe noch viel schwerer als derzeit sein, andere Gesellschaftsschichten für den Golfsport zu begeistern. Das ganze Vorhaben ist also extrem kontraproduktiv, da es ein altes Rennpferd zu Tode reitet anstatt ein neues zu züchten (Man verzeihe mir diesen Vergleich, aber er passt leider sehr gut).

Der DGV handelt also in seiner Ausrichtung auf die Damen und Herren über 55 sehr kurzsichtig. Die Überalterung der deutschen Golfclubs wird nicht als Problem, sondern quasi als erstrebenswert angesehen. Die zeitweilige Stabilisierung der Zahl der aktiven Golfer mit Hilfe der 55+ ist dem Verband wichtiger als die Aktivierung neuer Zielgruppen.

Man muss sich einfach nur folgende Fragen stellen, um in kürzester Zeit ein paar Denkfehler in der Agenda 55+ zu finden:

  1. Wird damit das Nachwuchsproblem im Jugendbereich gelöst?
  2. Verbessert sich damit das Image des Golfsports bei der Mehrheit der Nichtgolfern?
  3. Profitiert der Leistungssport im Amateurbereich von der Zielgruppe?
  4. Kann man damit auf lange Sicht die Zahl der aktiven und im DGV organisierten Golfer steigern?
  5. Wird es in Zukunft einfacher, um mit dem Golfsport anzufangen?

Das sind alleine fünf Fragen, die mir spontan einfallen – und die wohl alle mit einem klaren “Nein” beantwortet werden können.

tl;dr
Der DGV geht den Weg des geringsten Widerstandes – und befindet sich damit leider in einer Sackgasse.

3 thoughts on “Die Obstbauern von Wiesbaden ODER Warum der DGV auf den Club 55+ setzt”

  1. Ist beim DGV die gleiche Diskussion im Gange wie im Bundestag? Die jüngere Generation wird gegenüber der älteren Generation in der Rentenfrage benachteiligt! Und was passiert, wenn die +55-Jährigen dann in 10 Jahren aus den Clubs aussteigen?

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